Krankheiten des Igels
Neben den bakteriellen Sekundärinfektionen der Lunge und Bronchien beim Igel erlangt die Entzündung des Dünn- und Dickdarms - als Sekundärinfektion des Darms, eine besondere Bedeutung bei den Igelkrankheiten. Die bakteriell hervorgerufenen, oftmals hochgradigen, gastrointestinalen Störungen und massiven Virusinfektionen des Dünn- und Dickdarms, z.B. nach einer Entwurmungstherapie gegen Darmschmarotzer, bedürfen besonderer Beachtung und Behandlung.
Wodurch kommt es nun zu diesen akuten Krankheitsbildern?
Der Igel nimmt Nahrung auf, z.B. Regenwürmer und Schnecken, in denen sich Parasiten-Eier oder Cocysten befinden, die sich im Igel weiterentwickeln, den Darm schädigen und die Primärinfektion Parasitose auslösen. Daneben kann es zur bakteriellen Infektion des geschädigten Darmgewebes kommen. Wegbereiter der akuten Darminfektion sind die Innenparasiten, hauptsächlich die Darmhaarwürmer, die im Dünndarm schmarotzen, die Darmsaugwürmer, die sich an die Darmwände heften und unstillbare Blutungen hervorrufen können, evtl. auch in die Gallenwege wandern, wo sie zu einer Gallenwegsentzündung beitragen, sowie Kokzidien, die sich in der Darmschleimhaut aufhalten. Hierdurch kann es zu blutigen Darmschleimhautablösungen, im Kot gut sichtbar, kommen. Diese Parasiten können den Boden für eine bakterielle Darm- und Gallenwegsentzündung vorbereiten.
89% der hereingenommenen Überwinterungsigel leiden unter einer hochgradigen Parasitose, die mit einem Bakterienbefall einhergeht. Beide Infektionen verursachen grünen Kot und Fressunlust mit Gewichtsabnahme. Ist der Befall mit Parasiten und Bakterien gering oder noch frisch, hat das Tier genügend eigene Abwehrkräfte sowie eine noch gute Kondition. Die Organe erholen sich oftmals nach einer Therapie mit den entsprechenden Wurmmitteln. Argerechte, gute Pflege und Hygiene unterstützen die Behandlung gegen die Schmarotzer, fördern die Abheilung, und der Darm erholt sich. Der Pfleger merkt es daran, dass, das Tier wieder gut frisst und zunimmt, der Kot sich normalisiert.
Viele Herbstigel oder im Winter bzw. Frühjahr herumlaufende Tiere leiden jedoch unter Mangelerscheinungen und befinden sich bei der Erstvorstellung in der Station bereits in einem desolaten, körperlichen Zustand. Oft sogar schon in einem fortgeschrittenen Stadium einer Primär- und/oder Sekundärinfektion. Sie weisen z. T. schwere septische Krankheitsbilder in Form einer hochgradigen Parasitose mit einer hierdurch ausgelösten akuten bakteriellen Darmentzündung des Dünn- und Dickdarms auf. Meistens handelt es sich um unterernährte und geschwächte Igel, die bereits unter einer gewissen Immunschwäche leiden. Sie besitzen gegen die Parasiten sowie die bakterielle Entzündung der Darm- und Gallenwege nicht mehr genügend eigene Abwehrstoffe. Hier muss der Pfleger entsprechend hochkalorige Nahrung mit zusätzlichen Aufbaustoffen verabreichen, damit das Tier eine entsprechende oder anstrengende Therapie gut durchsteht (Prescription a/d).
Sind nach einer solchen Behandlung gegen eine evtl. Primärinfektion (Verwurmung) die parasitären, grünen, schleimigen Durchfälle nicht abgeklungen, will oder kann der Igel nicht mehr selbst fressen, würgt und erbricht er, leidet er unter wässerigem weißlichem Stuhl (evtl. mit Blutbeimengung), erkennt man die Schleimhautablösungen bei den häufigen Darmentleerungen, besteht die Gefahr einer Austrocknung, rapider Gewichtsverlust und Abmagerung, und kollabiert das Tier zusehends, besteht der dringende Verdacht einer hochgradigen akuten Darmentzündung mit unsicherem Ausgang.
Eine sofortige Verabreichung von flüssiger Nahrung in Form von Prescription a/d, verdünnt mit Fencheltee, Zuführung isotonischer Kochsalzlösung, Darmberuhigungsmitteln (evtl. schon durch Barium-Sulfat-Gabe oder etwas Paraffinöl), Futter in Form von Energiekonzentrat Calopet oder leichte Rindsreisschleimbrühe sowie Jecuplex-Injektionen (Glucose – Vitamine – Mineralien – Spurenelemente) sowie danach eine prophylaktische Behandlung mit Breitbandantibiotika bzw. nach Erstellung eines schnellen Antibiogramms bei einem Tierarzt mit Resistenzbestimmung eine gezielte Wirkstoffgabe gegen die Erreger.
Als Haupterreger der Enteritis oder Enterokolitis gelten erfahrungsgemäß Salmonellen, gefolgt von Bakterien der Stämme E.Coli, Pseudomonas, Proteus oder Klebsiellen, auch Staphylo- und Streptokokkenarten können einzeln oder vergesellschaftet als potentielle Erreger der Sekundär-infektionen des Darms beobachtet werden. Die Untersuchungsbefunde Mikrobiologischer Institute geben Aufschluss darüber.
Die häufigsten bakteriellen Infektionen des Darms liegen im Bereich der Salmonellen und E.-Coli-Erkrankungen. Escherischia Coli gehören normalerweise zu einer ausgewogenen Darmflora. Ist aber der Darm bereits durch die Primärinfektion Parasitose geschädigt, können sich die E.-Coli übermäßig entwickeln und krankheitsbestimmend werden. Todesfälle durch Coli-Infektionen sind nicht selten.
In jedem Jahr sterben Igel an ärztlicherseits festgestellten unspezifischen teils spezifischen Darmerkrankungen. Untersuchungsergebnisse des Instituts für Pathologie der tierärztlichen Hochschule Hannover befanden als Todesursache hauptsächlich Sekundärinfektionen durch E.-Coli und Salmonellen u.a. als Folgeschäden eines vorherigen Wurmbefalls (Primärinfektion Parasitose).
Werden Igel mit typischen Symptomen einer Parasitose oder einer sich bereits parallel dazu entwickelnden bakteriellen Erkrankung gefunden, fehlt oftmals die Zeit, ein gezieltes Antibiogamm abzuwarten, so dass das Tier bereits gestorben ist, bevor eine gezielte Therapie Erfolg versprechend eingeleitet werden kann. Um den Wettlauf mit der fortschreitenden Sekundärinfektion des Darms zu gewinnen, ist es ratsam, zusammen mit einem Tierarzt oder einer befugten Station prophylaktisch neben der Entwurmung zugleich ein BreitbandAntibiotikum einzusetzen, um die Erkrankung schneller zu stoppen und Verluste zu vermeiden.
Gegen bestimmte bakterielle und viruelle Darmentzündungen haben sich erfahrungsgemäß Chloramphenicol, Baytril und Gentamycin, bei leichteren Darmerkrankungen Sulfonamide (Cotrim K) bewährt.
Elfriede Raasch, Tierärztliche Hochschule Hannover